Coben, Harlan by Das Spiel seines Lebens

Coben, Harlan by Das Spiel seines Lebens

Autor:Das Spiel seines Lebens [Lebens, Das Spiel seines]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


24

Jessica parkte vor dem Haus, das Nancy Serat für die Dauer des

Semesters gemietet hatte. Eigentlich war es eher ein kleines

Cottage, das etwa einen Kilometer v o m Campus der Reston

University entfernt am Ende einer dunklen Straße lag. Selbst in

der Nacht erkannte Jessica den lachsroten Farbton, der sich m i t

dem Planeten Erde zu beißen schien. Die Umgebung sah aus, als

hätten die Bäume sich übergeben - der Vorgarten der Munsters.

A u f einem verwitterten Schild standen Straßenname und Haus-

nummer: 118 ACRE STREET. I n der Einfahrt stand ein blauer

Honda A c c o r d m i t einem Aufkleber der Reston University.

Jessica ging die zerbröckelten Reste eines ehemaligen Beton-

wegs entlang. Sie klingelte und hörte eilige Schritte. E i n paar

Sekunden vergingen. N i e m a n d kam an die Tür. Sie klingelte

noch einmal. Diesmal war nichts zu hören. Es war v ö l l i g still.

»Nancy?«, rief sie. »Hier ist Jessica Culver.«

Sie klingelte noch ein paar M a l , obwohl sie sich kaum vor-

stellen konnte, dass man es in einem so kleinen Haus überhört

hätte. Es sei denn, Nancy duschte gerade. Das wäre möglich.

D u r c h die Jalousien sah sie, dass im Haus L i c h t brannte. Der

Wagen stand in der Einfahrt. Jessica hatte gehört, dass sich et-

was bewegt hatte.

Nancy musste zu Hause sein.

Jessica streckte die H a n d nach dem Türknauf aus. Unter nor-

malen Umständen wäre sie wahrscheinlich n i c h t auf den Ge-

danken gekommen, einfach die T ü r einer ihr praktisch fremden

Frau zu öffnen. (Sie war Nancy nur einmal begegnet.) D o c h v o n

normalen Umständen konnte kaum die Rede sein. Sie ergriff

den Knauf und drehte.

Abgeschlossen.

Was nun?

Sie blieb noch fünf M i n u t e n vor der T ü r stehen und klingelte.

Immer noch nichts. Jessica ging ums Haus herum. Das L i c h t

einer entfernten Straßenlaterne und die im D u n k e l n leuchtende

Farbe des Hauses halfen ihr, den Weg zu finden. Sie stolperte

über ein Dreirad, das aussah, als stamme es aus einer archäologi-

schen Ausgrabung. Ihre Füße verfingen sich im h o h e n Gras, des-

sen Spitzen sie an den Waden kitzelten. A u f ihrem Weg spähte

Jessica durch die kleinen Lücken zwischen den Jalousien. Sie sah

Wände und gelegentlich ein Möbelstück oder ein B i l d , aber

keine Menschen.

An der Rückseite des Hauses war die Küchenjalousie n i c h t

heruntergelassen. Es brannte kein L i c h t . Hier war es stockfins-

ter. Die Straßenlaterne, die das Rosa des Hauses anstrahlte,

stand auf der anderen Seite. Sie legte den Kopf ans Küchenfens-

ter und schirmte m i t den Händen die Reflektionen ab. E i n

schmaler Lichtstreifen fiel aus dem vorderen Zimmer in die K ü -

che. A u f dem Tisch lag eine Handtasche. U n d ein Schlüssel-

bund.

Irgendjemand war zu Hause.

E i n Geräusch hinter ihr erschreckte sie. Jessica fuhr herum,

doch es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Ihr Herz raste.

Heuschrecken zirpten unablässig. Dann trommelte sie m i t bei-

den Fäusten gegen die Hintertür.



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